Samstag, 3. Oktober 2009

Review: Menschenfeind

"Erst kommt das Fressen, dann die Moral." - Bertolt Brecht


Menschenfeind
Originaltitel: Seul contre tous
Frankreich
Jahr: 1998
Laufzeit: 89 Minuten
FSK 18

Regie: Gaspar Noé

Genre: Spielfilm (Drama)

Plot: "Menschenfeind" erzählt die Geschichte eines Mannes, dem das Leben stets hart mitgespielt hat. Als Kind von einem Geistlichen sexuell missbraucht, später von der Frau allein mit seiner Tochter zurückgelassen, tötet er beinahe einen (gänzlich unschuldigen) Bauarbeiter, als er denkt, dieser habe seine Tochter vergewaltigt. Als er aus dem Gefängnis kommt, will er mit der von ihm schwangeren, aber ungeliebten neuen Frau ein neues Leben in einer anderen Stadt anfangen und dort mit ihrem Geld eine Metzgerei eröffnen. Doch wie so vieles in seinem Leben scheitert auch dieser Versuch um ein Leben in Normalität und Akzeptanz, stattdessen erfährt er Demütigung um Demütigung und es zeigt sich, dass die Vorstellungen von Redlichkeit und Moral stark von der Perspektive abhängen..

Spannung: 8/10
Atmosphäre: 9/10
Action: 3/10
Humor: 3/10
Anspruch: 8/10
Unterhaltungswert: 8/10

Cast: 8/10
Score: -/10
Screenplay: 8/10
Produktion: 7/10
FX: -/10
Gore: 3/10
Synchro: gut (furchtbar/schlecht/mäßig/ok/gut/ausgezeichnet)
Mainstream: Nein

Kurzinhalt:
  • Verachtung, Wut und Frauenfeindlichkeit: 100%
  • krude, vor Hass sprühende Gedankenströme: 100%
  • Inzest und Kinderhack: 100%

Bewertung:

Im viel diskutierten "Menschenfeind" von Gaspar Noé prasselt ein derart wütender stream of consciousness auf den Zuschauer ein, dass dieser so oft zwischen den Zuständen der Ablehnung, Empörung, distanzierter Belustigung und heimlicher Zustimmung schwankt, bis er spätestens beim stakatohaften Finale nicht mehr weiss, wo ihm überhaupt der Kopf steht. Die schon bei scheinbaren Kleinigkeiten im Kopf des vom Leben gebeutelten Protagonisten explodierenden Hasstiraden kommen einem nicht selten seltsam bekannt vor. Das macht die Hauptperson aber keineswegs sympathischer, nein, der Metzger bleibt ein perverser Widerling, unfähig zur Selbstreflexion, frei jeder sozialen Kompetenz. Die eigene, in wütenden Momenten oft so ähnliche Denkweise scheint mit einem Mal fremd und fragwürdig. Diesen Effekt nutzt der Film und spielt mit der Hoffnung des Zuschauers auf das Gute im Menschen, lässt sie jedoch nur kurz keimen um sie dann wieder mit voller Verachtung in den Dreck zu treten. Die Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit sind geradezu allgegenwärtig und das Gefühl, auch ausserhalb des Gefängnisses nur ein Gefangener zu sein, beinahe greifbar.

Letzten Endes bleibt Menschenfeind ein Film, bei dem es schwer fällt seine Essenz in Worte zu fassen. Denn mehr noch als das erbärmliche soziale Milieu, in denen sich die Protagonisten befinden und die schlimmen Schicksalsschläge, die der Metzger, seine Frau und seine Tochter erleiden, schockieren den Zuschauer die kompromislosen Charakterzüge des Metzgers selbst, in denen sich das tierhafte, primitive des Menschen in all seiner Abscheulichkeit offenbart. Die Selbstverständlichkeit, mit der die ethischen Grundsätze innerhalb unseres sozialen Gefüges verstanden werden, zeigen sich als naive Illusion und werden, fallend, eine Frage des Standpunktes. Diese desillusionierende Wirkung auf den Zuschauer ist das eigentlich Besondere an "Menschenfeind" - und es scheint unmöglich sich ihr zu entziehen. Denn mit donnerndem Klang untermalt, wird die deprimierende Botschaft des Films in dessen Verlauf mit abrupten Schnitten immer wieder regelrecht in die Wahrnehmung des Zuschauers hinein geprügelt. Und so bleibt die Erkenntnis, dass nicht nur die Zeit, sondern auch die Moral als relativ zu betrachten ist.

Fazit: Keine Sympathieträger, kein Happy-End. "Menschenfeind" ist verstörend, desillusionierend, schonungslos und abstoßend und ähnlich Michael Hanekes "Funny Games"(1997) hart an der Grenze des Erträglichen - also alles, aber kein Popcorn-Kino. Dafür aber ein einfach großartiger Film.

9/10 
Artverwandtes:
Irreversibel
Funny Games

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